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Persönliche Ansichten


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Plädoyer für einen säkularen Buddhismus ohne Reinkarnation

Wenn Karma unpersönlich ist (Kein-Ich, Anatta) und sich das Ich bzw. Selbst sich sowieso nicht an das letzte Leben erinnert, da es nicht inhärent existent ist, warum sollte ich dann dann gutes Karma ansammeln? „Ich“ erinnere mich doch sowieso nicht daran, dass „ich“ einmal eine andere Person war und dass meine reinkarnierte Wesenheit ein besseres Leben führen und weniger Leid haben könnte. Auch das Blog Säkularer Buddhismus (Buddhismus für Ungläubige) wirft das Thema auf und stellt ein bemerkenswertes Zitat von Ajahn Buddhadasa vor.

Wenn es hier und jetzt keine Seele, keine Person, kein Selbst, kein atta gibt, wie könnte es dann irgendein „wer“ oder einen „jemand“ geben, der hergeht und wiedergeboren wird? Also ist es unmöglich zu fragen, „wer wird wiedergeboren?“. Deshalb kommt die Wiedergeburt der selben Person, eines „Ich’s“ oder “Du’s“ (und darum geht es bei der Reinkarnation) in Wirklichkeit nicht vor.

Die Gedanken anderer Persönlichkeiten gehen in die gleiche Richtung.

Wenn wir Karma und Wiedergeburt richtig verstehen wollen, dann müssen wir diese im Licht des „Nicht-Ich” betrachten. Beide verkünden ganz deutlich das „Nicht-Ich” und doch ziehen die meisten Menschen dies überhaupt nicht in Betracht, sondern sprechen von „meinem” Karma und von „meiner” Wiedergeburt. Besonders „meine” Wiedergeburt ist absurd. (Ayya Khema, Das Herz der Lotusblume, S. 80)

Aus buddhistischer Sicht nimmt das Leben nach dem Tod keine klar umrissene physische Form an und es gibt weder einen „Geist” noch eine „Seele” oder ein Selbst, die in einer festgelegten, unveränderlichen Struktur weiterleben. (Daisaku Ikeda, Das Buch vom Glück, S. 38)

Auch im Forum Buddhaland gibt einen einen lesenswerten Thread über Reinkarnation, Motivation hinter der Kritik am Konzept der Wiedergeburten.

Dieses Thema scheint anscheinend mehr Menschen als nur mich allein zu beschäftigen. Die Aussagen gehen von „Ich akzeptiere die Wiedergeburtslehre vollständig.“ bis hin zu Aussagen wie „Aus diesem Grund spielt dieses Konzept für mich gar keine Rolle. Ich unterstütze es nicht, bekämpfe es auch nicht.“ anderer User.

Ein User erklärt „Wiedergeburt ist für meinen Geist eine moralische Lehre“. Da hat er wohl nicht so ganz Unrecht. In jedem Land, in jeder Philosophie und zu jeder Zeit braucht man ein Mittel, um seine Kinder zu zwingen, ihren Teller leer zu essen.

Ein anderer User vermutet, dass es sich vielleicht um ein geschicktes Mittel handeln könnte. „Wenn man den Gedanken weiterdenkt braucht es eigentlich keine zukünftigen Wesen, die jetzt existierenden (mich eingeschlossen) reichen auch als Grund für ein sinnvoll genutztes Menschenleben. Aber der vorhandene Egoismus ‚meinen‘ Nachfolgern etwas Gutes zu tun ist dann doch näher als ‚allen Wesen‘.“ und ein weiterer User schreibt „Ich halte die Wiedergeburtslehre für einen hinduistischen Fremdkörper (Relikt) in einem ansonsten überaus stimmigen Gedankengebäude.“ Scharf beobachtet, wie ich finde. So wie Jesus Jude war und kein Christ, war Buddha Hinduist und kein Buddhist.

Wie könnte die Theorie der Reinkarnation also in die eigene Denkweise integriert werden? Ist das überhaupt nötig? Für mich ist das nicht nötig. Ich persönlich mache mir nicht die Mühe. Ich glaube nicht an Reinkarnation. Die Lehre von der Reinkarnation erinnert mich an Bertrand Russells Teekanne.

Old LeafNach Theravada und Vajrayana sind mehrere Leben nötig, um zur Erleuchtung zu gelangen. Nach den Lehren einiger Mahayana Schulen wird dazu nur ein Leben benötigt. Allerdings stellt sich dann die Frage, wie dann die moralische Entwicklung bei sehr einfachen, weniger intelligenten, selbstverliebten oder gefühlskalten Menschen, die es nun leider gibt und die wie alle anderen auch die Buddhanatur besitzen, gefördert werden kann. Glaube an das Sutra, der im Mahayana stark betont wird, reicht meiner Meinung nach nicht aus. Anscheinend waren die buddhistischen Lehrer im Altertum einer ähnlichen Meinung. Für mich stellt die Lehre der Reinkarnation einen Versuch dar, das Verhalten der Lebewesen und auf diese Weise das Leid, das anderen zugefügt wird, auf gesellschaftlicher Ebene zu minimieren.

Unpersönliches Karma reicht ohne die Lehre der Reinkarnation völlig aus. Karma bedeutet „Handlung“. Und wenn man zu dieser ursprünglichen Wortbedeutung zurückkehrt, wird der wahre Kern der Lehre deutlich. Gute Handlungen erzeugen gutes Karma bedeutet in diesem Sinne „gute Handlungen bringen gute Handlungen hervor“. Ganz einfach. Dazu braucht man nicht einmal den Buddhismus bemühen. Jedem moralisch und ethisch fähigem Menschen dürfte das klar sein. Gute Handlungen (sozusagen „Karmas“) sind natürlich für die Wesen in der Umgebung förderlich. Aus diesem Grund betont der Mahayana auch auf so markante Art und Weise das Ideal des Bodhisattvas. Wenn die eigene Erleuchtung im Hier und Jetzt möglich ist, dann aus Mitgefühl für alle fühlenden Wesen.

Aus diesen Überlegungen heraus ist ein Glaube an Reinkarnation völlig unnötig. Stellt sich nur noch die Frage, ob der eigene Charakter weit genug entwickelt ist, um ohne diesen Aberglauben leben zu können.